benajas apologetische Israel-Denkwerkstatt
 

Lehrt das Neue Testament die Existenz zweier Völker Gottes?

Eine Stellungnahme zu Ernst Schrupps Zwei-Völker-Gottes“-Lehre
mit einem EXKURS über Alexander Seibels Auslegung der Kriege Israels von 1956 und 1967

In dem evangelischen Nachrichten-Magazin „ideaSpektrum“ 1991, Heft Nr. 11, erschien ein Artikel von Ernst Schrupp zum Thema: „Das biblische Geheimnis Israel“. Darin vertrat er eine extreme Position des „christlichen Zionismus“, wobei die Begriffe „Juden“, „Judentum“ und „Israel“ sowohl als „Volk“ als auch als moderner „Staat“ so gut wie ident gehandhabt wurden. Die vertretene Lehrmeinung, dass das heutige (!) Judentum ein künftiges „Heil für alle Völker“ sein werde, wie auch eine Fülle weiterer krass bibelfremder Behauptungen, hat benaja daraufhin bewogen, eine ausführliche Stellungnahme an die Redaktion zu schreiben.

Diese antwortete, dass sie nur eine stark gekürzte Fassung veröffentlichen könne. Daraufhin strich er den Text radikal auf eine entgegnende Fragensammlung zusammen, um sie zur Diskussion zu stellen. Diese wurde anschließlich in ideaSpektrum abgedruckt (14/1991, Seite 25). Der veröffentlichte Text lautete (fettgedruckter Vorspann von der Redaktion, Wortwahl unverändert, Absätze und Hervorhebungen nachträglich eingefügt):

Zwei Völker Gottes?

Zum theologischen Beitrag von Ernst Schrupp Das biblische Geheimnis Israel (Nr. 11, S.  18f). Der Autor versuchte, die Bedeutung des Heiligen Landes für die heutige Christenheit darzustellen.

Ernst Schrupp übergeht in seiner Darstellung wesentliche Heilswahrheiten und versieht biblische Begriffe mit neuen Inhalten:

  • Johannes 4,22 spricht nicht vom „Judentum“, das im Neuen Testament gemäß Galater 2,13-14 negativ belegt ist und daher unmöglich ein künftiges „Heil für alle Völker“ werden kann (neuer Wein in alte Schläuche?).
  • Ebenso unzulässig geht Schrupp mit Römer 11,18 („jüdische Wurzeln“ statt Jesus als der heiligen Wurzel) und 1.Mose 12,1-3 um (Verheißung für „Israel“ statt Jesus, vgl. Galater 3).
  • Nirgendwo läßt die Bibel die Annahme zu, daß es zwei Völker Gottes geben könnte. Gemäß Epheser 2 und Kolosser 1,12-23 muß dies sogar als ausgesprochen kreuzzerstörerische Lehre gelten. Reicht Jesu Tod nicht zur Vereinigung aller jemals lebenden Kinder Gottes aus? (Hebräer 11,39-40; 12,22-24)
  • Unzulässig ist nach Psalm 34,16-23 auch die Gleichsetzung des Unglücks einerseits ungläubiger Juden in Israel und andererseits der Gerechten schon im Alten Testament. Haben die Apostel etwa das herrschende Judentum als „Gottes erwähltes Volk“ bezeichnet und mit der Gemeinde Christi parallelgesetzt (2.Korinter 6,14-18)?
  • Haben sie dem  J u d e n t u m  das  E r b e  zugesprochen (Römer 4,14; Matthäus 21,38ff)?
  • Wen haben sie überhaupt als wahre Juden und Kinder Abrahams anerkannt (Johannes 1,47ff; Röm 2; Gal 3)?
    Was Paulus als vom Geschlecht Israel abstammend gemäß Philipper 3 an seinem Fleisch für „Dreck“ erachtet hat, genau das möchte heute Ernst Schrupp den geistigen Nachkommen dieses Geschlechts als Unterpfand des Erbes wieder zurechnen!
  • Wissen die Apostel von irgendeinem Unterschied zwischen ungläubigen Juden und ungläubigen Nichtjuden, beispielsweise „Palästinensern“ (Römer 2,9-11.25)?
  • WER ist der „Erbe  a l l e r  Dinge“ (Hebräer 1,2)?
  • WER sind seine „Miterben“  a l l e r  Verheißungen Gottes (2.Korinter 1,20)?
  • Welches weltbekannte, im AT und im NT vielfältig angekündigte Ereignis muß als schlagendster Beweis für die tatsächliche Auferstehung Christi vor der ungläubigen Welt bezeichnet werden (Lukas 19,27)?*
  • Wo steht in Römer 11 etwas von einer politischen, geographisch definierten Zukunft der Juden in einem fernen Zeitalter? Politische und militärische Ereignisse des 20. Jahrhunderts als „stärksten [!] Beweis der Treue Gottes und ein Zeugnis für unsere eigene christliche Hoffnung“ vorzugaukeln, weckt trügerische Hoffnungen und gleicht daher einem Hausbau auf Sand, denn es straft die Verkündigung und das Zeugnis Jesu und der Apostel Lügen (Lukas 20,13-19, Apostelgeschichte 4,33).
  • Schrupps Auslegung der Staatsgründung Israels 1948 als Treueakt Gottes würde im Klartext bedeuten, daß Gott gravierende menschliche Untreue (Unglaube) damit beantwortet, daß er in Palästina einwandernde Christusleugner,  n u r   w e i l   s i e   b e s c h n i t t e n   s i n d   u n d   s i c h   a l s   J u d e n   b e z e i c h n e n  (Offenbarung 2,9; 3,9), mit einer „Heimstätte für alle Juden“ beschenkt, in der allerdings – laut oberstem Gerichtshof in Israel – an Jesus glaubende Juden gar nicht einwandern dürfen. Was wohl die Apostel zu dieser merkwürdigen Lehre gesagt hätten (Hebräer 2,1-4)? Laut 2.Timotheus 2,12-13 besteht jedoch die Treue Gottes gegenüber endgültig Verstockten darin, daß letztlich auch Gott jene verleugnet, die ihn verleugnen.

* Anm.: Ernst Schrupp lehrte, dass das heute existierende Judentum der schlagende Beweis sei.

Anmerkung:

Der Verfasser unterschrieb diese Stellungnahme allein mit Namen (ohne akademischen Titel) und Wohnort. Die Redaktion dagegen setzte ohne vorherige Rückfrage Titel und „Vorstandsmitglied des Bibelbundes“ hinzu, was nicht der Absicht des Verfassers entsprach, weil er seine Stellungnahme als private Meinungsäußerung verstanden wissen wollte und es im Vorstand, dem Ständigen Ausschuss des BIBELBUNDES e.V., keine offizielle Lehrposition dazu gab.

Nichtsdestoweniger war (und ist) der Verfasser der Ansicht, dass der Veröffentlichung der Lehrmeinung Ernst Schrupps betreffend „Israel“ eine ebenso öffentliche, biblisch begründete Entgegnung als Diskussionsbasis gebührt.

Der weitere Verlauf

Nach Erscheinen des Leserbriefs war das Aufsehen entsprechend groß, denn Ernst Schrupp war im gesamten evangelikalen Raum, in der Evangelischen Allianz ein angesehener Missionstheologe, Buchautor und langjähriger Leiter des „Missionshauses Bibelschule Wiedenest“ (Bergneustadt, BRD), gleichzeitig war der Leserbrief-Verfasser seit Jahren aufgrund apologetischer Artikel und Beiträge in einschlägigen Magazinen und Zeitschriften des deutschsprachigen Raumes und nicht zuletzt aufgrund seiner langjährigen BIBELBUND-Vorstandsmitgliedschaft kein Unbekannter.

ideaSpektrum war 1970 als Informationsdienst der Evangelischen Allianz gegründet worden und ist dementsprechend weit verbreitet. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Schrupp diese öffentliche Replik auf seine Auffassung der Heilsgeschichte betreffend „Israel“ nicht entgangen sein kann. Der Verfasser hatte mit einem nachfolgenden interessanten Disput und engagierten Austausch gerechnet, aber da kam nichts. Keine Antwort, weder Zustimmung noch Widerlegung.

Dementsprechend ungerührt erschien ein Jahr später Schrupps nächstes Buch – Titel: „Israel in der Endzeit. Heilsgeschichte und Zeitgeschehen“ (Ersterscheinung 1992, weitere Auflage 1996). Darin wurden haargenau dieselben Positionen vertreten wie in dem idea-Artikel 11/1991 – die aufgeworfenen Fragen der Gegenstellungnahme fanden keinerlei Niederschlag.

In einem Nachruf auf das Ableben Ernst Schrupps von 2005 („Ein kurzer Lebenslauf des evangelikalen Theologen“) wurde auf dessen theologische Kehrtwende Bezug genommen, indem „Israel in seinen Blick“ gekommen sei und er  „ a u f   d i e   E r e i g n i s s e   a c h t e t e “,  die mit der (von ihm nunmehr erwarteten) „Endzeit“ verbunden waren. Er las [Zitat:] „die Heilsgeschichte  E r i c h   S a u e r s  in neuem,  a k t u e l l e m  Zusammenhang,  a n g e r e g t   a u c h   v o n   P a s t o r   E i w e n ,  Wiener Neustadt.“ *  In den meisten seiner späteren Bücher hat er sich in gleicher Weise mit diesem Thema befasst, ohne diese – theologiegeschichtlich verhältnismäßig junge – Lehrverirrung zu revidieren oder hinterfragen zu lassen.

* Auf Erich Sauers und Helmuth Eiwens Lehren, die Ernst Schrupp zu diesen Abwegen angeregt hatten, wird an anderer Stelle eingegangen.

Nur eine einzige prominente Stimme, der Rektor einer bibeltreuen theologischen Akademie – mit dem Verfasser seit Jahren persönlich gut bekannt –, wandte sich mittels kurzen Leserbriefs direkt an ideaSpektrum mit dem dürren Hinweis, dass man in dieser Frage die Position von Ernst Schrupp teile. Keine konkrete Erklärung, kein konstruktiver Beitrag oder Beantwortung der vorgelegten kritischen Fragen.

Noch eine weitere Rückäußerung gab es: Der mit dem Verfasser gut bekannte und ehemals befreundete Reiseevangelist und Buchautor Alexander Seibel meldete sich. Er ist seit jeher ein eifriger ideaSpektrum-Leser und schreibt selber immer wieder Leserbriefe an die Redaktion, teilweise auch als Ghostwriter. In den 1970ern ist er publizistisch erstmals in Erscheinung getreten, als er einen ausführlichen Artikel verfasst, davon zwei Auflagen produziert und mit vollen Händen verteilt hatte mit dem Titel: „DER 6-TAGE KRIEG IN BIBLISCHER, PROPHETISCHER SICHT“. Diese Ausarbeitung ist ein höchst aufschlussreiches Bilderbuch-Exempel dafür, wie „Endzeit“-Schwärmer mit Bibeltexten umzugehen pflegen. Daher lohnt es sich, diese Umgangsweise anhand einiger ausgewählter Zitate vor Augen zu führen:

EXKURS über Alexander Seibels Auslegung der Kriege Israels von 1956 und 1967:

Alexander Seibels Ausarbeitung, in der Ereignisse des zweiten und des dritten arabisch-israelischen Krieges, des sog. „Suezkrieges“ und des „Sechstagekrieges“, in Beziehung zu biblischen Weissagungen gesetzt werden („in biblischer, prophetischer Sicht“), beginnt folgendermaßen:

Letzter Anlass für das Ausbrechen des Krieges war die von Nasser verlangte* Blockade des Golfes von Akaba. Der Präsident erklärte es** zum ägyptischen Hoheitsgebiet. Der Prophet Hesekiel schreibt:

'So spricht Gott, der Herr: Siehe ich will an dich, Pharao, du König in Ägypten, du grosser Drache, der du in deinem Wasser liegst und sprichst: Der Strom ist mein und ich habe ihn mir gemacht.' (Kap. 29,3)

Im Jahre 1956 erklärte Nasser den Suezkanal zum ägyptischen Eigentum. Das Ergebnis dieser eigenmächtigen Handlung war der Sinaikrieg*** 1956. Bei beiden Waffengängen war also das auslösende Moment eine Wasserstraße, die Aegypten für sich beanspruchte ('Der Strom ist mein, und ich habe ihn mir gemacht'), wie der Prophet Hesekiel sagt.

In der zweiten Auflage heißt es „verhängte“.
** Unklarheit: Was soll mit „es“ gemeint sein? Der Golf von Akaba?
*** Gemeint ist der Suez-Krieg 1956.

Eine seriöse Betrachtung der politischen wie historischen Hintergründe sowohl der Ereignisse um 1956 und 1967 als auch der Hesekiel-Weissagung ergibt in allen Belangen einen diametral unterschiedlichen Befund. Seibels Darstellung bedarf daher um der Wahrheit willen zahlreiche Richtigstellungen.

Richtigstellung zum Ausbrechen des Sechstagekrieges: Die Formulierung: „Letzter Anlass für das Ausbrechen des [Sechstage-] Krieges [...]“ suggeriert, Ägypten habe den Krieg vom Zaun gebrochen bzw. Israel habe keine Alternative für seinen Präventivschlag der israelischen Luftstreitkräfte gegen ägyptische Luftwaffenbasen am 5. Juni 1967 gehabt. Das entspricht nicht den Tatsachen.

Letzter Anlass kann nicht „die Blockade des Golfes von Akaba“ [wenn schon, dann der Straße von Tiran] gewesen sein, weil sie auch nach Israels eigener Aussage noch kein zwingender Kriegsgrund (casus belli) war. Es lohnt sich, die wesentlichen Fakten nachzulesen (hier nach Wikipedia, zitiert mit letztem Stand vom 31. August 2012 um 06:46 Uhr):

Ägypten erklärte sich [nach 1956, Anm.] auch dazu bereit, die Straße von Tiran wieder für die israelische Schifffahrt zu öffnen, deren Schließung im Vorfeld der Sueskrise eskalierend gewirkt hatte. [...]

1964 begann Israel, Wasser aus dem Jordan für seinen National Water Carrier abzuleiten. Im Jahr darauf begannen die arabischen Staaten mit der Umsetzung des Headwater Diversion Plan, nach dem der Banyas-Strom und der Hasbani umgeleitet werden sollten, so dass Israel von diesen essentiellen Wasserquellen abgeschnitten gewesen wäre. Diese Maßnahme hätte 11 % des gesamten Wasserhaushaltes Israels getroffen. Die israelische Armee griff das Kanalprojekt im März, Mai und August 1965 an und setzte damit gegenseitige gewaltsame Grenzkonflikte in Gang, welche direkt mit den Ereignissen in Zusammenhang stehen, die zum Sechstagekrieg führten. [...]

1982 erklärte der damalige israelische Ministerpräsident Menachem Begin, dass  d i e   I n i t i a t i v e   z u m   K r i e g   v o n   T e l   A v i v   a u s g i n g  [Anm.: dem damaligen Regierungssitz Israles] und  d i e   ä g y p t i s c h e n   M a ß n a h m e n   k e i n e n   B e w e i s   f ü r   e i n e n   u n m i t t e l b a r   b e v o r s t e h e n d e n   A n g r i f f   a u f   I s r a e l   d a r s t e l l t e n .  [...]

„Es war ein Krieg der Selbstverteidigung im edelsten Sinne des Wortes. Die Regierung der nationalen Einheit hat dann einstimmig beschlossen: Wir werden die Initiative ergreifen und den Feind angreifen, zurückdrängen und damit die Sicherheit von Israel und die Zukunft der Nation gewährleisten. Wir taten dies nicht, weil wir keine Alternative gehabt hätten. Wir hätten weiter abwarten können, wir hätten die Armee nach Hause schicken können. Wer weiß, ob ein Angriff gegen uns erfolgt wäre? Es gibt keinen Beweis dafür. Es gibt mehrere Argumente für das Gegenteil. Während es in der Tat richtig ist, dass die Schließung der Straße von Tiran ein Akt der Aggression war, ein casus belli, ist immer noch Raum für die Überlegung, ob es notwendig ist, aus einem casus ein bellum zu machen.“ [...]

Gemäß einem im Magazin Stern abgedruckten Artikel sagte Jitzchak Rabin, der im Sechstagekrieg Stabschef der Streitkräfte Israels war, nach dem Krieg zu der Frage danach, ob vom damaligen ägyptischen Aufmarsch wirklich eine Bedrohung für Israel ausgegangen ist:

„Ich glaube nicht, dass Nasser einen Krieg wollte.  D i e   z w e i   D i v i s i o n e n ,   d i e   e r   a m   1 5 .   M a i   i n   d e n   S i n a i   s c h i c k t e ,   h ä t t e n   n i c h t   a u s g e r e i c h t ,   u m   e i n e   O f f e n s i v e   g e g e n   I s r a e l   a u s z u l ö s e n .  Er wusste es, und wir wussten es.“

Nassers Remilitarisierung der Sinaihalbinsel folgte am 22. Mai die Schließung der Straße von Tiran für israelische Schiffe und Schiffe mit „strategischer” Ladung für Israel – ein Schritt, der einen Großteil israelischer Erdölimporte betraf und das Land vom Roten Meer abschnitt. Laut israelischer Regierung verstieß die Blockade gegen internationale Vereinbarungen zur Freiheit der Meere, während aus ägyptischer Sicht nur strategisch gegen israelische Angriffe gegen den Verbündeten Syrien vorgegangen wurde. Ein Vermittlungsversuch Großbritanniens blieb in den Ansätzen stecken. Israel hatte eine Schließung der Straße von Tiran wiederholt als casus belli bezeichnet, denn die Blockade zwang laut israelischem Außenminister Abba Eban, Israel „mit nur einem Lungenflügel zu atmen“.  L a u t   U N - S e k r e t a r i a t   w a r e n   j e d o c h   i n   d e n   z w e i e i n h a l b   J a h r e n   z u v o r   k e i n e r l e i   i s r a e l b e f l a g g t e   S c h i f f e   i m   H a f e n   N a v a i   a n w e s e n d   g e w e s e n  und sonst sei nur 5% des Handels über diesen Hafen abgewickelt worden. [...]

Während in den ersten Stunden von israelischer Seite kaum Informationen über den Kriegsverlauf herausgegeben wurden, verkehrte die ägyptische Propaganda den Kriegsverlauf ins Gegenteil und berichtete von angeblichen Siegen der arabischen Truppen.  S o   k a m   e s   i n   d e r   ü b r i g e n   W e l t   z u   d e m   f a l s c h e n   E i n d r u c k ,   n i c h t   I s r a e l ,   s o n d e r n   Ä g y p t e n   h a b e   d e n   K r i e g   b e g o n n e n .

Richtigstellung zur Wortbedeutung: Genau übersetzt heißt es im hebräischen Grundtext von Hesekiel 29,3 (nach Hermann Menge, einschließlich der Einfügungen):

„Nunmehr will ich an dich (= gegen dich vorgehen), Pharao, König von Ägypten, du großes Krokodil, das  i n m i t t e n   s e i n e r   S t r ö m e  (= Nilarme) lagert, das da spricht: Mir gehört mein Strom, und ich habe ihn mir geschaffen!“

Jeder Altphilologe wird bestätigen, dass mit hebr. ye'or  f l i e ß e n d e s  Wasser gemeint ist: Fluss, Strom, Nil-Kanal, Nil-Arme, und dass daher bei Hesekiel keinesfalls vom Meeresgolf von Akaba, der keine Wasserstraße ist, und auch nicht vom Golf von Suez die Rede sein kann, zumal Ägypten nicht „inmitten des Golfs von Akaba lagert“ sondern gleichsam inmitten seiner zahllosen Nilarme. Der Suezkanal ist ein schleusenloser Meerwasserkanal, der – im Gegensatz zu Kanälen wie dem Panamakanal, die einen Höhenunterschied überwinden – keinen ständigen Wassernachschub benötigt und daher kein Strom ist. Der Nil ist die wichtigste Lebensader Ägyptens, mit ihm wird das Land immer wieder identifiziert. Das Rote Meer und seine beiden großen Meeresbuchten sind nicht im Blickfeld.

Richtigstellung zur Person Nassers und seiner Stellung: Der Begriff „Pharao“ galt die ganze Geschichte hindurch als Bezeichnung für den absolutistisch herrschenden König des antiken Ägyptens. 1952 wurde Ägypten eine Republik. Damals wurde Gamal Abdel Nasser Ministerpräsident und war von 1954 und 1970 Staatspräsident.

Richtigstellung zum völkerrechtlichen Status des Suezkanals: Aufgrund der nach wie vor geltenden Konvention von Konstantinopel vom 29. Oktober 1888 kann der Suezkanal von allen Schiffen (Handels- und Kriegsschiffen) aller Nationen zu allen Zeiten (Friedens- und Kriegszeiten) zu gleichen Bedingungen benutzt werden. Kriegsschiffe müssen ihre Durchfahrt bei dem Ägyptischen Außenministerium, dem Verteidigungsministerium und der Behörde für maritime Sicherheit anmelden. An diesem Status hat sich 1956 nichts geändert, weder durch Nasser noch in der Folge der Suezkrise.

Richtigstellung zu den Eigentumsverhältnissen: Der Suezkanal war von 1859 bis 1869 von der Suezkanal-Gesellschaft gebaut und als Aktiengesellschaft betrieben worden, die vom damaligen ägyptischen Regierungschef lizenziert worden war. Sie war formalrechtlich eine ägyptische Gesellschaft mit u.a. britischen und französischen Teilhabern. Die Gesellschaft – wie auch die Konzession – hatte als Ablaufdatum das Jahr 1968, die Dauer sollte 99 Jahre ab Eröffnung des Suezkanals betragen. In der Vereinbarung mit der ägyptischen Regierung vom 23. April 1869 verzichtete die Gesellschaft auf ihre Zoll- und Steuerfreiheit sowie sonstige Sonderrechte und auf alle eventuellen Schadenersatzansprüche gegenüber der Regierung. Sie hatte damit nur noch die Stellung eines den allgemeinen Gesetzen unterworfenen Unternehmers.

Richtigstellung zum politischen Hintergrund: Nach dem 2. Weltkrieg verblieb Ägypten zunächst – obwohl formal souverän – im britischen Macht- und Einflussbereich. Schließlich entschloss sich Großbritannien im Geist des Spätimperialismus, die nationale Unabhängigkeit Ägyptens zu unterstützen, sofern es sich prowestlich verstand. 1953 waren am Suezkanal etwa 80.000 britische Soldaten stationiert. Großbritannien zog – wie 1954 im Suez-Abkommen vereinbart – im Juni 1956 seine Truppen aus Ägypten zurück. In diesem Abkommen hatte sich Ägypten im Gegenzug verpflichtet, die militärischen Standorte zu erhalten und im Kriegsfall zur Verfügung zu stellen. Auch das internationale Statut der Zone wurde von Ägypten anerkannt.
Zur Beseitigung des Massenelends plante Nasser den Neubau des Assuan-Staudamms bzw. eines Hochdammes statt des alten bestehenden Stauwerks. Die USA (und im Gefolge die Weltbank ) zogen aber am 19. Juli 1956 ihre ursprünglich angebotene und zugesagte Finanzierung zurück, als die ägyptische Regierung die Volksrepublik China offiziell anerkannte. Daraufhin verstaatlichte der ägyptische Präsident am 26. Juli die Suezkanal-Gesellschaft, somit 12 Jahre vor Ablauf der Konzession, nachdem die seit 1922 unabhängigen Ägypter die in ausländischem Mehrheitsbesitz befindliche Suez-Gesellschaft als Relikt der kolonialen Ausbeutung betrachteten. Mit den Gebühren für die Benutzung des Suezkanals sollten die Kosten für den Bau des Staudamms aufgebracht werden. Die Aktienbesitzer der Suez-Gesellschaft wurden finanziell entschädigt. Die Sowjetunion und Indien billigten auf drei ergebnislosen internationalen Konferenzen letztlich die Verstaatlichung, aber die Briten war sowohl ökonomisch als auch machtstrategisch beunruhigt. Sie und indirekt auch die Franzosen sahen ihre macht- und wirtschaftspolitischen Interessen bedroht und initiierten eine Invasion, um Präsident Nasser zu stürzen, den sie zu diesem Zwecke zum „Hitler vom Nil stilisierten. Dazu gesellte sich Israel, das einen Kriegsgrund suchte, um Ägypten militärisch zu schwächen und den Gazastreifen und Scharm El-Scheich zu erobern. Zunächst versuchen die Briten erfolglos, den Betrieb des Kanals zu sabotieren. Also planten sie zusammen mit den Franzosen und Israelis eine Falle und entwickelten folgenden Plan:

Israel startet eine Invasion, greift Ägypten an, dringt auf der Halbinsel Sinai gegen den Suezkanal vor und liefert damit Frankreich und England den verabredeten Vorwand zur Invasion, sodass diese zunächst als vermeintliche Friedensmächte intervenieren könnten. Sie stellen aber ein für Ägypten unerfüllbares Ultimatum, worauf die Briten Kairo, Alexandria und Port Said bombardieren und zum „Schutz der freien Schifffahrt“ in Ägypten landen.

Am 24. Oktober unterzeichneten die drei Staaten ein diesbezügliches Abkommen über ihr Vorgehen. Gesagt, getan: Am 29. Oktober 1956 begann Israel mit der Invasion des Gazastreifens und der Sinai-Halbinsel und stieß schnell in Richtung des Kanals vor. Am folgenden Nachmittag wurde der ägyptische Botschafter in London ins Foreign Office einbestellt und erhielt vom Vertreter der britischen und französischen Außenminister den Forderungskatalog überreicht, dessen Ultimatum auf zwölf Stunden befristet war. Präsident Nasser wies die für Ägypten unerfüllbaren Forderungen und das Ultimatum wie erwartet zurück. Damit lieferte er Großbritannien und Frankreich den erwünschten Vorwand, die Kontrolle über den Kanal militärisch zu gewinnen und das Regime Nassers zu stürzen. Die Briten wollten den Anschein aufrechterhalten, dass die Europäer neutral seien und keineswegs Israel unterstützten.

Richtigstellung zum Kriegsverlauf: Am 31. Oktober begannen Großbritannien und Frankreich wie geplant mit der Bombardierung ägyptischer Flughäfen. Am 5. November landeten alliierte Fallschirmjäger am Flughafen Gamil, sicherten das Gelände und errichteten eine Basis zur Luftunterstützung. In den frühen Morgenstunden des 6. November landeten Kommandos der britischen Marine mit Amphibienfahrzeugen und Feuerunterstützung von Schlachtschiffen an den Stränden Ägyptens. Port Said wurde durch verheerende Brände fast vollständig zerstört. Die ägyptische Armee und ihre sieben gepanzerten Divisionen mussten wegen des schnellen Vorstoßes der Angreifer und deren Luftüberlegenheit zurückweichen. So fiel der Suezkanal in die Hände der Europäer.

Wider Erwarten erhielten die europäischen Mächte keine Rückendeckung von Seiten der USA für ihr Vorgehen. Der britische Premierminister Sir Anthony Eden hatte jedoch damit gerechnet, US-Präsident Eisenhower würde sich im Kriegsfall auf die Seite seiner europäischen Alliierten schlagen. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges verfolgte Washington jedoch eine Politik der Eindämmung (containment policy) und hielt gute Beziehungen zu Staaten der Dritten Welt für wichtiger als britisch-französische Macht- und Wirtschaftsinteressen. Die USA brachten daher eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat ein, die den Rückzug Israels aus Ägypten forderte, der sich die UdSSR anschloss. Israel versuchte, den unvermeidbaren Rückzug seiner Truppen zu verzögern und vorher völkerrechtliche Garantien von der UNO zu erreichen.
In der Folge richtete der sowjetische Ministerpräsident Bulganin die Warnung an Israel:

„Als Vollstrecker eines fremden Willens und im Auftrag anderer treibt die Regierung Israels ein verbrecherisches und unverantwortliches Spiel mit dem Schicksal der Welt, mit dem Schicksal ihres eigenen Volkes. Sie sät unter den Völkern des Ostens einen Haß, der sich auf die Zukunft Israels auswirken muß und seine staatliche Existenz in Frage stellt [...] Wir erwarten, daß die Regierung Israels sich eines Besseren besinnt, ehe es zu spät ist, und ihre militärischen Operationen gegen Ägypten einstellt.“

Gleichzeitig rief die UdSSR ihren Botschafter aus Tel Aviv ab. Dadurch unter Druck gesetzt stellten am Tag darauf Großbritannien, Frankreich und Israel die Kampfhandlungen ein. Der Kriegsschauplatz wurde am 22. Dezember 1956 wieder geräumt. Am 7. März 1957 verließen die letzten israelischen Soldaten ägyptisches Territorium. Die UNO-Vollversammlung hatte zuvor die Forderung nach Truppenrückzug am 24. November 1956, am 19. Januar 1957 und am 2. Februar 1957 wiederholt. Versenkte Schiffe versperrten die Durchfahrt durch den Suezkanal noch einige Wochen. Erst am 10. April 1957 konnte er wieder passiert werden.

Frankreich lieferte Israel im Gegenzug das Material zum Bau der Atombombe, die unter der Verantwortung des späteren Friedensnobelpreisträgers Shimon Perez gebaut wurde. 1967, 1973 und 1991 wurden die Atomköpfe zum Abschuss montiert. Am 22.09.1979 testete Israel die Atombombe mit Hilfe von Südafrika. Bis zum Jahr 2000 hatte Israel um die 200 Sprengköpfe produziert. In der arabischen Welt hat sich nach den Worten Nahum Goldmanns das Bild Israels als eines Bundesgenossen der „imperialistischen Mächte“ [...] endgültig fixiert, und weitere Konfrontationen waren damit vorgezeichnet.

Fazit: Der mit allen Mitteln angestrebte Sturz Nassers durch die Intervention war misslungen, das Gegenteil war erreicht: Ihm gelang es, die militärische Niederlage vor der arabischen Öffentlichkeit in einen politischen Sieg zu verwandeln. In nicht-öffentlichen Gesprächen sagte er, dass er sich der unerwartet dürftigen Leistung des Militärs bewusst war. Seine Position in der arabischen Welt und sein Panarabismus wurden massiv gestärkt.
Das Fiasko des Suezkrieges ruinierte den Ruf des britischen Premiers Sir Anthony Edens als Staatsmann und führte bei ihm zu einem gesundheitlichen Zusammenbruch. Sein Außenminister Harold Macmillan, einer der Architekten der Invasion, drängte Eden zum Rücktritt und wurde im Januar 1957 sein Nachfolger. – Wir haben hier also ein weiteres Beispiel der Weltgeschichte für „Die Torheit der Regierenden“ (Barbara Tuchman), die zum Gegenteil dessen führt, was diese angestrebt hatten, aber mit Sicherheit nicht einen Beweis für „Israel als Gottesvolk“...

Zum heutigen Status des Suezkanals: Durch das Nationalisierungsgesetz wurde die Suez Canal Authority (SCA) gegründet, die Eigentümer, Verwalter und Betreiber des Suezkanals ist. Das Gesetz wurde am 26. Juli 1956 durch den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser unterzeichnet. Damit wurde das Vermögen der bisherige Suezkanal-Gesellschaft auf die SCA übertragen. Sie ist eine selbständige juristische Person. In deutscher Terminologie würde man sie als Anstalt des (ägyptischen) öffentlichen Rechts bezeichnen.

Richtigstellung zur moralischen Verantwortung: Historisch betrachtet haben die drei Alliierten, Großbritannien, Frankreich und Israel, die Tausenden von Toten, Verwundeten und Kriegsgefangenen und nicht zuletzt das an der ägyptischen Zivilbevölkerung verschuldete ungeheure Elend aufgrund des von ihnen aus macht- und wirtschaftspolitischem Kalkül losgetretenen sinnlosen und politisch gescheiterten Krieges moralisch zu verantworten.
Bemerkenswert simpel dagegen ist Alexander Seibels Urteil über Nassers Verstaatlichung der Suezkanal-Gesellschaft: „Das Ergebnis dieser eigenmächtigen Handlung [Nassers] war der Sinaikrieg.“ Als wäre die völlige Fehleinschätzung und Ausblendung der wahren Ursachen und des tatsächlichen Verlaufs des Suezkrieges noch nicht problematisch genug, wird die zynische, menschenverachtende Machtpolitik der drei Alliierten von Alexander Seibel als vor zweieinhalbtausend Jahren durch den Propheten Hesekiel geweissagtes Wirken Gottes dargestellt.

Richtigstellung zum historischen Hintergrund der Hesekiel-Weissagung: Diese unfassbare Unterstellung basiert auf einer unseriösen Zeitensprung-Auslegungsmethode, mittels derer die „Endzeit“-Zeichendeuter einzelne Verse beliebig aus ihrem Kontext herauszureißen wissen, um sie willkürlich in völlig andere Zeitalter und Zusammenhänge zu versetzen und damit „mit verblüffender Genauigkeit“ (siehe oben) „Endzeit“-Erfüllungen vorzutäuschen. Diese Vorgangsweise bedeutet freilich, die Bibel zu einem esoterischen Orakelbuch umzufunktionieren, zu dessen Deutung es einer gnostizierenden „Gabe der Auslegung prophetischer Texte“ bedürfe, über welche offenbar nur solcherart Eingeweihte verfügen. Exegeten, die nach allgemein anerkannten Regeln der Hermeneutik arbeiten, bleibt sie verschlossen.

Tatsächlich weissagte Hesekiel das Strafgericht Gottes über Ägypten, aber nicht etwa deshalb, weil es Israel (Juda) bedrängt oder angegriffen hätte, sondern ganz im Gegenteil: Die Pharaonen der 26. (Saïten-) Dynastie von Necho II. bis Apries (hebr. Hophra, Jer 44,30) hatten aus eigenem geopolitischen Machtkalkül Jerusalem zur Auflehnung gegen die Babylonier und zur Aussetzung der Tributzahlungen an deren Großkönig Nebukadnezar verführt und ihnen dazu militärische Unterstützung zugesagt. (Dies widersprach der Bestimmung Gottes, die Babylonier als „Zuchtrute“ über das dem Götzendienst verfallene, korrupte Jerusalem zu setzen, unter deren Oberherrschaft es sich fügen sollte.) Daraufhin wechselte der judäische König Zedekia die Seiten: Er brach den Gotteseid zur Treuewahrung, den er 597 v.Chr. bei seiner Inthronisierung Nebukadnezar geschworen hatte, und ging mit den Ägyptern einen Schutzbund ein. Damit besiegelte er letztlich den Untergang seines ohnedies schon zum Rumpfstaat verkommenen Königreiches, denn Ägypten erwies sich als Stütze unzuverlässig wie ein „Schilfrohr“, das zerbricht: Während Nebukadnezars Strafexepedition heranrückte, zog sich der Pharao im letzten Augenblick zurück, statt seinen Bündnispartner zu entsetzen. Genau davor hatte Jeremia immer wieder auf dramatische Weise gewarnt und letztlich auf tragische Weise Recht bekommen. Schließlich erfüllte sich Hesekiels Weissagung, indem nicht nur Jerusalem aufgrund seines Vertrauens auf Lügenpropheten 587/6 v.Chr. nach langer Belagerung in eine endgültige militärische und politische Niederlage und humanitäre Katastrophe schlitterte, sondern auch Ägyptens expansionistische Politik und Vorherrschaft als Großmacht ein verheerendes Ende fand.

Nota bene: Dieses Jonglieren Alexander Seibels mit biblischen Begriffen und willkürlichen Gleichungen (hier: antiker Pharao = moderner ägyptischer Staatspräsident) entspricht exakt den generell üblichen Hineinlese-Methoden aller „Endzeit“-Schwärmer und -Zeichendeuter. Alexander Seibel treibt es in seiner „Auslegung“ unter Verweis auf Psalm 83,1-9 konsequent bis zum Äußersten: Edom = Jordanien; Ismael = die Araber allgemein; Amalek = Bewohner Saudi-Arabiens; Philister = Gazastreifen, Ägypter; Tyrus = Libanon; Assur = Irak; Moab und Ammon = die heutigen Jordanier.
Logisch ist für ihn (siehe unten Faksimile): „Amman ist heute noch die Hauptstadt Jordaniens,  s o m i t   w i r d   e s   k l a r ,  dass mit den Ammonitern die heutigen Jordanier gemeint sind.“
Und: „Die zunehmenden Terroranschläge der Palästinenser waren eine Hauptursache für den Kriegsausbruch“ von 1967 *, und diese seien durch Vers 4 (in Ps 83) angekündigt worden: „Sie machen listige Anschläge“. All diese Völker seien im Sechstagekrieg als „Feinde Israels“ geschlagen worden. Unberücksichtigt bleibt dabei freilich, dass es in Psalm 83 ausdrücklich um die Feinde  G o t t e s  gegangen ist, die  G o t t  gehasst hatten, wie Asaph im Vers 3 geschrieben hatte. Indem also für Seibel heutige Israelis (bis hin zum mehrfachen Kriegsverbrecher Ariel Sharon) pauschal als „Volk Gottes“ und im Gegenzug „Israels Feinde“ (d.h. die Feinde des heutigen Israel-Staates) als „Gottes Feinde“ gelten, folgt daraus wie bei Ernst Schrupp die „Zwei Völker Gottes“-Lehre:
Neutestamentliche Christus-Gemeinde UND moderner Staat Israel als militärisch-politisches Machtsystem.

* „1956 dienten die Fedajin in der Suezkrise Israel als Vorwand, um die Sinai-Halbinsel zu besetzen und ihre Stützpunkte in Ägypten auszuschalten.“ (Wikipedia, nach Bruce Hoffman, 2006).
Später operierten arabische Fedajin als Guerilleros von Israels Nachbarstaaten aus und griffen bis in die 1960er Jahre hinein wiederholt verschiedene Ziele in Israel an. – Es handelt sich um das alte Problem gegensätzlicher Perspektive: Aus der Sicht der eigenen unterdrückten Nation handelt es sich um „Freiheitskämpfer“ und Partisanen, aus der Sicht des Unterdrückers und des Gegners um „Terroristen“.

Ein letztes Beispiel für diese schwärmerische Begeisterung für den Militarismus des Staates Israels – im Zeitensprung zu Jesaia 11,14 aus dem achten Jahrhundert v.Chr. Dazu Seibels erstaunter Kommentar:

„Dieser  h ö c h s t   v e r b l ü f f e n d e  Vers fand somit eine  w ö r t l i c h e   E r f ü l l u n g  durch die Geschehnisse  d i e s e s   K r i e g e s “.

Warum die „Verblüffung“ über die „wörtliche Erfüllung“? Weil dieser Vers das Wort „fliegen“ enthält und die israelischen Bomber zu Beginn des Sechstagekrieges, so Alexander Seibel, „entlang des Gazastreifens und über die Sinaihalbinsel im Tiefflug geflogen“ sind und sich so „den 18 verschiedenen ägyptischen Flughäfen genähert“ haben, um „in 2 Angriffswellen den Großteil der ägyptischen Luftwaffe zu zerstören“.
Kommentar: Selbst das würde nicht zusammenpassen, denn der Text in Jes 11,14 spricht ausdrücklich von  „ m e e r w ä r t s “, hebr. yam (= nach Westen), die Sinaihalbinsel liegt aber  l a n d w ä r t s  nach Süden.
Fazit: Also missbrauchen die „Endzeit-Ausleger“ Bibelverse des Alten Testaments nicht nur, sie verbiegen sie auch noch, um dann ihre reklamierte „wörtliche Erfüllung“ „belegen“ zu können ein klassischer Zirkelschluss.

Schlussgedanken: Von wegen „wörtlicher“ Bibelauslegung: Es fällt schwer, solchen Ergüssen eine bessere Bewertung zuzugestehen als das Prädikat: blasphemische Schundliteratur. Auch wenn sich der Autor der Illusion hingeben mag, mit solchen „Auslegungen“ die Glaubwürdigkeit der Bibel zu festigen, ist das gegenteilige Szenario realistisch: Gottes Wort läuft Gefahr, dadurch zum Gespött gemacht zu werden, jedenfalls gegenüber aufgeschlossenen Zeitgenossen, denen die wahren historischen Hintergründe wie etwa hier der Suezkrise nicht unbekannt sind. Alexander Seibel schwärmt in seinem Artikel weiter (Hvhb. d. Verf.):

„Obwohl in diesem [Sechstage-] Krieg sich eigentlich Wunder vor unseren Augen abspielten (Israel erlebte danach auch eine Art  r e l i g i ö s e   E r w e c k u n g  und  v i e l e   A r a b e r   k a u f t e n   s i c h   B i b e l n ,   u m   z u   w i s s e n ,   w i e   e s   w e i t e r g e h t )  ist die Welt  b l i n d  und sieht es nicht. Sie will einfach  d i e   u n s i c h t b a r e   H a n d   G o t t e s ,   d i e   h i n t e r   a l l e n  d i e s e n   E r e i g n i s s e n   s t e h t , nicht erkennen.“

Jeder, der sich um die wahren Ereignisse dieses Krieges (und vorangegangener kriegerischer Auseinandersetzungen) redlich und unvoreingenommen bemüht, wird feststellen, dass die Weltöffentlichkeit lange genug auf die offizielle Propaganda und Geschichtsklitterung der herrschenden israelischen Administration hereingefallen ist. Besonders eindrucksvoll nachgewiesen ist dies inzwischen betreffend den „Unabhängigkeitskrieg“ und die Hintergründe vor und nach der Staatsgründung. (Darüber mehr an anderer Stelle.) Wer hier tatsächlich „blind“ und ewiggestrig ist, kann jeder aufrichtige Mensch mittels einiger Recherchen unschwer ausmachen. Wir leben im darauffolgenden Jahrhundert, und eine neue, jüngere israelische Historikergeneration hat dies alles akribisch und anhand der Originalquellen aufgearbeitet und ans Licht gebracht, allen voran schon der polnisch-israelische Historiker und nationale Sekretär der Mapam-Partei, Simcha Flapan, in: „Die Geburt Israels, Mythos und Wirklichkeit“ (1987).

Darüber hinaus stellen sich solche  „ r e l i g i ö s e n   E r w e c k u n g e n “ (was A.S. damit wohl meint...?) und solcherart irregeleitete Bibelbetrachtungen für die Sache Gottes als Pyrrhussieg und Bumerang heraus, sobald der Schwindel auffliegt und der Irrtum manifest ist. Als Prototyp dafür können etwa die von allen „Endzeit“-Schwärmern jahrzehntelang behaupteten sowjetischen Invasionsgelüste nach Israel aufgrund von Hesekiel 39,1-11 (!) gelten. Abgesehen davon, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt, ist der Schaden für das Reich Gottes kolossal, wenn Menschen mit dem Lesen der Bibel nur beginnen, „um zu wissen, wie es weitergeht“, und sich dann umso heftiger abwenden. Erinnerungen an den unsäglichen Hype vieler Evangelikaler um Hal Lindseys bizarren Bibelfälschungsknüller wie „Alter Planet Erde, wohin? Im Vorfeld des Dritten Weltkrieges“ (1970/1) in den 1970ern und 80ern werden wach, als diesem Buch nachgesagt wurde, dass durch das Lesen dreizehn (?) Millionen gläubig geworden seien. Alexander Seibel selbst hat sich damals gebrüstet, Lindsey für seine Vorträge in Europa begleitet und ihm dabei als Übersetzer gedient zu haben. Von wegen „Blindheit“... Das Buch entlarvt Lindsey und seine Glaubensgemeinde nicht nur Seite für Seite als falschen Propheten, sondern strotzt auch vor unglaublichen historischen Fehlern, die jedem, der sich in der Welt des Alten Testaments einigermaßen auskennt, sofort auffallen und alle Alarmlichter aufleuchten lassen müssen. Er behauptete, Nebukadnezar habe „im Jahre 606 v.Chr.“ (!) „Ägypten erobert“, „das Land der Israeliten zerstört“ und „sie selbst in die Verbannung geschickt“, daraufhin hätten sie in Babylon „siebzig Jahre Frondienste leisten müssen“. Dann meinte er, dass zur Zeit Jesaias „das damals [!] mächtige Babylon als unbesiegbar galt“. Offenbar ist solch ein Unsinn und offensichtlicher Dilettantismus vor lauter Begeisterung auch seinem Verleger, Hermann Schulte in Wetzlar, nicht aufgefallen. Er dürfte damit aber beste Geschäfte gemacht haben. Allein in den beiden ersten Jahren der deutschen Ausgabe wurden schon 9 (neun!) Auflagen gedruckt.

Kriegsverbrechen, perfide Allianzen, Ausradierung ganzer arabischer Dörfer, gezielte Gerüchtebildungen, um alle Nichtjuden (vor allem christliche Araber!) zur Flucht aus ihren angestammten Wohngebieten zu scheuchen und sie für immer an der Rückkehr in ihr Eigentum und ihre Heimat zu hindern, Sabotierung von Friedensgesprächen, um Zeit zu gewinnen und Fakten zu schaffen (wie schon Ben-Gurion) all diese Machenschaften der israelischen Politik zu verschweigen und deren Resultate als unsichtbare Hand Gottes“ zu etikettieren, bedeutet biblisch gesprochen das Werk des „Vaters der Lüge“ und des „Menschenmörders von Anfang an“ zu tun (Joh 8,44; vgl. 2.Thess 2,11-12). Dieser Tatbestand sollte je früher desto besser von den Betreffenden unumwunden eingestanden und schonungslos und ehrlich aufgearbeitet statt verdrängt werden.

Zeitgeschichtliche Ereignisse erübrigen“ seriöse biblische Exegese

Zurück zum Kommentar von Alexander Seibel auf benajas Gegenstellungnahme zu Ernst Schrupp:
Statt auf die gegenständliche Thematik biblisch argumentativ einzugehen, meinte er sinngemäß, dass diese Fragen wohl in allernächster Zeit „von den Ereignissen überholt“ sein würden – im Klartext: durch die s.E. bevorstehenden „Endzeit“-Ereignisse. Das war, wie gesagt, 1991. Darin folgte er wohl seinem Vorbild Hal Lindsey, der in seinem 1980 erschienenen Bestseller „The 1980s. Countdown to Armageddon“ erklärt hatte, dass die 1980er Jahre „sehr wohl die letzte Dekade der Geschichte, so wie wir sie kennen, sein könnte“.

Fazit

Die ernüchternde Erkenntnis aus dieser und weiteren Erfahrungen kann so zusammengefasst werden:

Es lassen sich haufenweise Aufsehen erregende „Endzeit“-Knüller verfassen und als Topseller verkaufen, womit die erfahrungssüchtige evangelikale Christenheit laufend in Atem gehalten und an der Nase herumgeführt werden kann. Sind diese „Prophetie“-Bücher jeweils nach wenigen Jahren überholt und ad absurdum geführt, erscheinen seitens der Falschmünzer und ihrer geschäftstüchtigen Verleger keine zerknirschten Eingeständnisse und reuigen Rücknahmen. Kein Hahn kräht mehr nach den als Fehlschlag entlarvten „Zeitungsexegesen“, vielmehr werden ungeniert und unsaktioniert neue geschrieben und an die mittlerweile veränderte Tages- und Weltpolitik „angepasst“. Kritiken und sachliche Widerlegungen werden standhaft ignoriert. Stattdessen wird noch ein weiteres Jahrhundert (inzwischen schon das dritte) darauf vertraut, dass die imaginierten politischen Entwicklungen („Welteinheitskirche“, „Antichrist“, „Wiederentstehung Babylons“...) und deren „Zeichen der Zeit“ eintreffen (Erdbeben, Kriege, Epidemien...). So meint man, dass sich genauere Auslegungserwägungen ohnedies „bald erübrigen“, indem die zu erwartenden „Ereignisse“ die selbsternannten „Ausleger des prophetischen Wortes“ bald bestätigen würden.

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